Der ewige Teppich
Import, Innovation, Industrie
2.4. – 29.10.2023
Der „Ewige Teppich“ hat eine lange Geschichte in Zimmern und Kammern. Bereits im Mittelalter gehörte der sogenannte „Orientteppich“ zu den Luxusgütern in adeligen und großbürgerlichen Haushalten. Als im 19. Jahrhundert eine neue Technik auf den Markt kam, wurden Teppiche mit Mustern nach orientalischen Vorbildern zum erschwinglichen Massenprodukt. „Der Perser aus Deutschland“, so eine zeitgenössische Werbung aus den 1920er Jahren zu Stickteppichen, fand zunächst in den Wohnzimmern der Angestellten, später auch in vielen Arbeiterhaushalten seinen Platz.
Die Ausstellung stellte vor. Mit mehr als 400 Exponaten zeigte die Ausstellung Design, Verwendung und Herstellung dieser Art Teppiche und erzählte nebenbei auch eine deutsch-deutsche Geschichte: Die Produktion wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Vogtland, wo sich 1880 die erste maschinelle Teppichfabrik ansiedelte, in den Grenzraum zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Adel und Bürgertum
Sogenannte „Orientteppiche“, in Europa seit dem Mittelalter dem Adel und dem gehobenen Bürgerturm vorbehalten, begeisterten seit der Weltausstellung in London 1851 eine wachsende Käuferschicht. Um die Nachfrage decken und den Import steigern zu können, investieren europäische Unternehmer seinerzeit in den Aufbau manufakturähnlicher Strukturen in Westasien, um dort ‚Orientteppiche‘ fertigen zu lassen. Um 1900 begann in Europa die Produktion von mechanisch gewebten Teppichen, die die tradierten Muster nachahmen. Eine neue Industrie entstand. Ihre Erzeugnisse waren deutlich preiswerter als ihre Vorbilder, doch sie erreichten nicht die scheinbare Individualität und Originalität „echter orientalischer Teppiche“. Unter diesen verstand die wachsende Kundschaft vor allem Knüpfteppiche.
Technische Innovation
Erst die technische Innovation des maschinellen Teppichstickens aus den 1920er Jahren machte es möglich, Produkte herzustellen, die den traditionell gefertigten Teppichen aus kunstgewerblicher Sicht sehr ähnlicher waren.
Als „Perser aus Deutschland“ beworben, machen sie die Teppichfabrikzentrale AG (Leipzig), die Tefzet, mit ihrem wichtigen Produktionszentrum in Oelsnitz vor dem Zweiten Weltkrieg zum größten Teppichkonzern in Deutschland mit Nachfolgefirmen in Ost und West. Vor 1946 werden rund 80 verschiedene Dessins von der Tefzet-AG entworfen und gefertigt – die meisten davon inspiriert von den Vorbilden aus dem Orient. 1948 gehen die Werke in Oelsnitz im späteren Volkseigenen Betrieb (VEB) Halbmond-Teppiche auf. In der Bundesrepublik baut der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Tefzet-AG, Paul Dürrschmidt, zu diesem Zeitpunkt bereits eine eigene Orientstickproduktion nach dem Vorbild seines ehemaligen Unternehmens auf – im Grenzraum zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Zeig uns Deinen Teppich! Erzähl uns Deine Geschichte!
Unter diesem Motto präsentierte das LWL-Museum in der Spinnerei persönliche Teppichgeschichten in der Mitte des Ausstellungsraumes. Zum Beispiel die Erinnerung eines Jungen, der den größten Ärger mit seiner Mutter bekam, weil er am Schmuckstück im Wohnzimmer die Fransen abschnitt, oder die Geschichte eines Malers, für den der Stickteppich im Lieferwagen ein Schatz ist, weil bei dem engen Flor keine Farbe einzieht. Die Präsentation rief dazu auf, dem Museum weitere Teppichgeschichten zu hinterlassen: in der Ausstellung, aber auch digital in den Sozialen Medien: #Teppichgeschichten @textilwerkbocholt.