HERZLICH WILLKOMMEN BEIM BLOG DES TEXTILWERKS BOCHOLT
Hier gibt es Neuigkeiten zu aktuellen Baumaßnahmen rund um Weberei und Spinnerei.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und freuen uns über ein Feedback.
Hier gibt es Neuigkeiten zu aktuellen Baumaßnahmen rund um Weberei und Spinnerei.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und freuen uns über ein Feedback.
Licht, hell, geräumig - wer das Foyer der Weberei betritt, dem wird sofort klar: Das TextilWerk präsentiert sich im neuen Gewand. Nach fünfmonatiger Umbauphase ist der Museumsstandort an der Uhlandstraße seit Juni wieder für Besucher geöffnet. Im Websaal hängen runde Schautafeln – sogenannte Lollipops – von der Decke herab, geben mit einzelnen Stichwörtern eine erste Orientierung zum jeweiligen Bereich innerhalb der Ausstellung. 13 Computerterminals stellen dem Besucher weiterführende Informationen zur Verfügung. Nicht nur technische Aspekte und Filme zum Ablauf der Produktion sind hier abrufbar. Zitate, Fotografien und Videosequenzen zum sozialen Leben erklären anschaulich den Arbeitskosmos „Weberei".
Museumsleiter Dr. Hermann-Josef Stenkamp erklärt den Hintergrund der Runderneuerung: "Nach fast 30 Jahren war es höchste Zeit, die Dauerausstellung zu modernisieren und klar zu gliedern.“ Denn die bisherige Schau sei seit der Eröffnung als Textilmuseum im Jahr 1989 durch viele kleine Veränderungen mit der Zeit unübersichtlich geworden. Die so immer wieder überformte Ausstellung und das längst veraltete Informationssystem mit langen Tafeltexten in kleiner Schrift seien nicht mehr zeitgemäß gewesen.
"Die musealen Fragen nach der Geschichte von Arbeit, nach der ihr zugrunde liegenden Technik sowie der Sozialgeschichte waren hinter dem Eindruck, in einer produzierenden Fabrik zu Gast zu sein, zurückgetreten", erläutert Martin Schmidt, wissenschaftlicher Referent des LWL-Industriemuseums. Er konkretisiert: "Diese Perspektive wollten wir ändern, ohne die ursprüngliche und grundsätzlich funktionierende Konzeption einer möglichst unmittelbar erfahrbaren Fabrikwelt aufzugeben. Die ersten Reaktionen von Besucherinnen und Fachkollegen zeigen, dass uns der Spagat zwischen Erlebniswelt und musealer Präsentation gelungen ist." Als zentrales Element sehen die Kuratoren weiterhin die Maschinenvorführungen. Doch diese Schauvorführungen an mehr als 25 laufenden Webstühlen und Automaten werden durch neue Vermittlungsangebote ergänzt.
Außerdem laden die Terminals zu einem interaktiven Spiel ein. Zusätzlich zur Eintrittskarte bekommt jeder Besucher eine Chipkarte ausgehändigt. Mit diesen Karten kann der Besucher in der Rolle eines Webers an den jeweiligen Stationen in einen Dialog mit dort typischerweise arbeitenden Charakteren kommen. Im Maschinenhaus spricht er mit dem Maschinisten, in der Werkstatt mit einem Schlosser, im Kontor mit einem Büroangestellten. "Das Spiel bietet unseren Besuchern einen anderen Zugang zu den Themen unserer Weberei", erläutert Schmidt, der gemeinsam mit Anna Lena Müller, die im TextilWerk ihr Freiwilliges Soziales Jahr Kultur absolviert, das Spiel konzeptionell entwickelt hat: "Für die unterschiedlichen Menschen, die uns besuchen, brauchen wir unterschiedliche Ansprachen, damit sie ungestört Eindrücke sammeln können." Denn die einen wollten harte Fakten, erläutert Schmidt, andere einen spielerischen Zugang. Für viele, davon ist der Wissenschaftler überzeugt, sei das Spiel ein erster Einstieg. Es werfe Fragen auf, die das System mit seinen vielen Ebenen beantworten kann.
Das Prinzip ist ganz einfach: Der Gast hält seine Chipkarte unterhalb des Terminals an einen Scanner, der das Spiel startet. Im Maschinenraum wird die Besucherin, die in die Rolle des Webers schlüpft, barsch angesprochen: "Halt, keinen Schritt weiter!", erscheint neben dem gezeichneten Maschinisten auf dem Bildschirm. Die Besucherin hat nun die Möglichkeit, aus ihrer Rolle heraus zwei Antworten zu wählen: "Jetzt reg dich doch nicht gleich so auf. Hör doch erstmal zu" oder "Schon gut, schon gut. Ich werd deiner Liebsten schon nichts tun" – wobei mit der Liebsten ist die riesige Dampfmaschine gemeint ist. Nach jedem Knopfdruck folgt eine Erwiderung des Maschinisten. Klar wird durch diese Dialoge, welche Typen in einer Weberei einst gearbeitet haben und welche Hierarchien dort herrschten
Anna Lena Müller hat die meisten der Dialoge mitgestaltet. Um den einzelnen Berufsgruppen gerecht zu werden, griff sie auf die vielen hundert Interviews mit Webereimitarbeitern zurück. "Dabei habe ich ein Gespür für die einzelnen Charaktere bekommen und konnte so die Dialoge authentisch entwickeln", erläutert sie. Durchschnittlich 32 Komponenten hat ein solches Gespräch mit all seinen Möglichkeiten. Der Besucher liest nur einen kleinen Teil davon, da er sich immer nur für eine Antwort entscheiden kann. Gehen die Besucher aus dem Maschinenraum in den neu geordneten Websaal, warten weitere Computerstationen mit passenden Protagonisten – wie Öler, Weber, Passiererin, Meister – auf die Museumsgäste bzw. ihr Alter Ego. Noch ist dies nur der Weber, doch in Kürze sollen eine Spulerin und ein junger Hilfsarbeiter folgen – andere typische Menschen aus einer Fabrik um 1920.
Auch in den neu gestalteten Räumen oberhalb des Kontors warten Gesprächspartner: der Kartenschläger und der Dessinateur. In der Musterstube sind Stoffmuster zu sehen, die der Dessinateur entwickelt hatte – sie stellten das textile Gedächtnis einer Firma dar. Maike Lammers, die ebenfalls zum Kuratorenteam des Textilwerks gehört, erklärt, dass die Muster verschiedene Funktionen hatten: "Sie waren einerseits wichtig für die Entwicklung neuer Dessins und dienten als Inspiration, andererseits dokumentierten sie technische Aspekte für die Produktion." In der Kartenschlägerei nebenan kann der Besucher nachvollziehen, wie die Steuerungskarten für die Jacquardwebstühle gestanzt wurden. Außerdem kann er kann mit dem virtuellen Kartenschläger in Kontakt treten und hat dabei wieder die Qual der Wahl, welchen Dialog er führen soll …
Linda Schilling
Updaten sie ihren Browser um diese Webseite richtig betrachten zu können.