Webstuhl-Tetris mit Augenmaß

01.03.2018 Britta Handke

Restaurator Gerd Hölker beim "Webstuhl-Tetris": Mit einem Hubwagen rückt er die Webmaschinen auf ihre endgültigen Positionen.

Maschinen am neuen Platz | Freie Sicht auf die Spinnerei

Das leise Sirren des Hubwagens ist das einzige Geräusch, das man im Websaal des Textilwerks Bocholt hört – ein krasser Gegensatz zu jenem Lärmpegel, wenn der Raum erfüllt ist vom Rattern und Klackern der Webstühle. Jetzt, im Winter 2018, rund drei Monate vor der Wiedereröffnung, herrscht fast Stille. Restaurator Gerd Hölker hat auf dem Hubwagen einen Webstuhl geladen, den er vorsichtig in der Mitte des Websaals hin- und herschiebt, bis die Position passt. Was er macht? "Ich spiele Webstuhl-Tetris", lacht Hölker. Was er tatsächlich meint: Analog zum Computerspiel "Tetris" fährt er die verschiedenen Webmaschinen mit Augenmaß auf ihre Positionen, die sie in der neuen Dauerausstellung einnehmen werden. "Wir haben jetzt ungefähr die Hälfte der Maschinen auf ihre endgültigen Plätze gestellt", erzählt der Restaurator.

Betonbauer Andre Hungerkamp entfernt Planenreste von den neu hochgezogenen Mauern für den künftigen Logistikbereich des Museumsrestaurants "Schiffchen".

Das hintere Ende des Websaals ist immer noch abgetrennt durch graue Planen. Dort, wo die neuen Räume für den Logistikbereich des Museumsrestaurants "Schiffchen" entstehen, sind die Maurer dabei, die letzten Handgriffe zu erledigen: Betonbauer Andre Hungerkamp schneidet mit dem Cuttermesser überstehende Planenreste vom Mauerwerk. Die vergangenen Wochen im TextilWerk werde er in guter Erinnerung behalten: "In einem Museum zu arbeiten, ist mal etwas anderes", sagt der Betonbauer. Im Sommer hat er schon eingeplant, auf einer Radtour einen Zwischenhalt an der Weberei einzulegen, um sich den Endzustand anzuschauen.

Die Meisterbude steht an ihrem neuen Platz. Schreiner haben sie in den vergangenen Wochen mit Holzkonstruktionen wieder aufgebaut.

Die Meisterbude

Der ist so langsam zu erahnen. Denn auch im vorderen Teil des Websaals ist ein ungewohnter Anblick entstanden: Die Meisterbude, die früher an jener Stelle stand, wo jetzt die neuen Mauern für den Infrastrukturbereich des "Schiffchen" hochgezogen wurden, hat einen neuen Platz bekommen: direkt am Eingang des Websaals. Museumsleiter Dr. Hermann-Josef Stenkamp ordnet die neue Position der Meisterbude ein: "Unmittelbar neben der Eingangstür empfängt sie den Besucher und macht die Stellung des Saalmeisters deutlich, der nun den Blick auf die Webstühle und auf die Spulmaschinen hat."

Während der Umbauphase ist die Stechuhr nicht so richtig als Exponat erkennbar. Nach der Wiedereröffnung der Weberei wird sie durch den neuen Standort der Meisterbude direkt ins Blickfeld der Besucher rücken.

Ein weiterer Effekt: "Man gelangt jetzt nicht mehr direkt aus dem Foyer in die riesige Halle, sondern zuerst einmal in einen kleinen Flur", fügt Martin Schmidt, wissenschaftlicher Referent, hinzu. Dieser Flur entstand durch die Seitenwand der Meisterbude, die von Schreinern in den vergangenen Wochen Stück für Stück mit Holzkonstruktionen wieder aufgebaut wurde – am früheren Standort waren ihre Wände gemauert. Schmidt erläutert diesen durch den Flur bewusst verengten Sichtwinkel genauer: "Der Blick des Besuchers bleibt zuerst im Bereich des Flurs hängen und muss dort die Stechuhr an der Wand streifen. Damit wird sein Augenmerk zuerst auf die Sozialgeschichte eines Webereibetriebes gelenkt."

Bagger haben den Anbau an der Weberei abgerissen.

Inseln in der Aa

Aber nicht nur drinnen tut sich einiges – auch draußen im übrigen kubaai-Gelände hat sich viel verändert: Seit die Bagger den Anbau an der Weberei abgerissen haben, hat man von dort freie Sicht auf die gegenüberliegende Spinnerei. In der Aa, die zwischen der Weberei und dem anderen TextilWerk-Standort Spinnerei fließt, wurden in "Schiffchen"-Sichtweite zwei künstliche Inseln aufgeschüttet. Ihre Auen wurden gerodet und verbreitert. "Die Aa werten wir damit an dieser Stelle ökologisch auf", fasst Udo Geidies, Koordinator im Baudezernat der Stadt Bocholt, zusammen. Er gibt einen Ausblick: "Im März werden die Fundamente der Podiumsbrücke gegossen – auch deshalb mussten wir den Pegel der Aa absenken." Ab Mai werde die Brücke am Weberei-Ufer montiert und danach, Mitte August, mithilfe eines Krans über der Aa in ihre endgültige Position gebracht. Nach Angaben der Stadt soll die Brücke im September eröffnet werden - und damit die beiden Standorte des TextilWerks miteinander verbinden.

Linda Schilling

Blick über die Bocholter Aa mit den neuen "Inseln" auf die Spinnerei des TextilWerks

Kategorien: Weberei · Projekt "kubaai"